General-Anzeiger Bonn - Artikel vom 26.05.2011 Von Mathias Nofze
Bonn. Liest man "Denk' ich an Deutschland...", denkt man
natürlich sofort an Heinrich Heines berühmte Zeilen - und ist prompt
reingefallen. "Mit Heine hat unser Stück wenig zu tun", erklärt Michael
Raetsch von Saltabonn, dem Verein für Schulentwicklung und Kultur.
Was rund 150 Schüler und Erwachsene am kommenden Sonntag in der
Bonner Oper auf die Bühne bringen, sind vielmehr 222 Jahre deutscher
Geschichte - in Form einer bilderstarken Tanzrevue. Nur beim Titel
bediente man sich beim dem Erzironiker, ließ aber den zweiten Teil der
Sentenz bewusst weg.
"Denk ich an Deutschland, bin ich optimistisch", könnte die
Fortsetzung lauten. Denn am Ende der (mit Pause) zwei Stunden dauernden
Vorführung gibt es den eisernen Vorhang nicht mehr. Man feiert die
europäische Einigung, symbolträchtig mit einer großen Europafahne als
Eyecatcher.
Diese Szene steht gerade auf dem Probenplan in der Bonner Oper. "Wo
sind die Seile?", fragt Miguel Angel Zermeno, der Choreograf dieses
Schulprojekts, an dem drei Bonner Schulklassen beteiligt sind. Die erst
verknoteten, dann gelösten Seile stehen für die Grenzen, die im Prozess
der europäischen Einigung gefallen sind.
Die Seilsuche beginnt, der Choreograf hat Zeit, seine Ziele zu
erläutern. Sein Ausgangspunkt sei ein "realistischer", erklärt Miguel:
"Ich konzentriere mich auf die Fakten, ich interpretiere nicht, ich hebe
nicht den Zeigefinger." Deutsche Geschichte ab 1789 - darunter sind
zwei Weltkriege. Auch das wird gezeigt, etwa, wie sich Bombenopfer vor
Schmerzen krümmen. Aber natürlich handelt das Stück auch von den
Männern, die arbeiten und lachen, die tanzen und weinen.
Und von Kindern, die spielen und unbekümmert sein wollen. Stilistisch
bietet die Revue (die ihre "eigentliche" Premiere am 3. Oktober 2011
erfährt) eine Reise durch alle Tanzstile, vom Ballett über Ausdruckstanz
bis Hip-Hop, musikalisch unterlegt mit 38 Musikstücken von Beethoven
bis Bruckner, von Stockhausen bis zu Deutschrappern.
Er versuche, "den Darsteller" in den Schülern zu wecken, sagt
Zermeno. Die Klassen 6a der Realschule Hardtberg, 8b der
Emilie-Heyermann-Realschule und 8a der Gesamtschule Bonn-Bad Godesberg
sind beteiligt. Nina und Laura, 13 und 14 Jahre alt, sind mit Eifer bei
der Sache. "Beim Tanzen kann man seine Gefühle ausdrücken", schwärmen
sie. Klassenkamerad Daniel, 15 Jahre alt, meint: "Unsere
Klassengemeinschaft ist durch das Projekt wirklich viel besser
geworden." Nina und Laura nicken: "Außerdem haben wir mehr Muskeln
bekommen."
"Denk' ich an Deutschland ...": Sonntag, 29. Mai, 18 Uhr, Oper Bonn. Karten zwischen 9,90 und 25,30 Euro in den GA-Zweigstellen und unter bonnticket.de
Revue begeistert voll besetztes Opernhaus
Genaral-Anzeiger Bonn - Artikel vom 31.05.2011 Von Mathias Nofze Foto: Thilo Beu
Bonn. Die vom Nazi-Regime verfolgten Juden kauern am Boden,
vor ihnen liegt die Hakenkreuzfahne, hinter ihnen erscheint das Bild vom
Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau. Dazu erklingt eine
Klagemelodie, gesungen von einem jüdischen Kinderchor. Eine besonders
eindringliche von vielen starken Szenen des Tanztheaterstücks "Denk' ich
an Deutschland ...", das in der Oper Bonn seine Premiere erlebte.
Geschichte in Bewegung: Bonner Schüler setzen in der Oper Historisches in starke Bilder um.
1789 beginnt die getanzte Geschichtsrevue, ein Projekt von salta
e.V., dem "Verein für Schulentwicklung und Kultur". Der lange Weg der
Deutschen zu Frieden und Einheit wird zu einem opulenten und
bilderstarken Panorama gebündelt, an dem 85 Schüler und Schülerinnen
(die Klassen 8b der Emilie-Heyermann-Realschule und der Gesamtschule
Bonn-Bad Godesberg sowie die Klasse 6a der Realschule Bonn-Hardtberg)
sowie 70 Jugendliche und Erwachsene aus diversen Tanzensembles beteiligt
sind.
Doch bevor das Geschichtsbuch aufgeblättert wird, hört man Stimmen
aus dem Off: Hoffnungsvolles, viel Positives, aber auch Nachdenkliches
über das aktuelle Merkel-Deutschland.
Dann geht es los, im Zeitraffer, mit Musik von Schumann bis
Stockhausen, von den Comedian Harmonists bis zu den Prinzen (Konzeption:
Michael Raetsch). Man sieht hier die Bauern schuften, während sich
Adlige ihrem Zeitvertreib hingeben, dort eine Tänzerin zu Beethovens
"Eroica" die Flamme der Freiheit bringen.
Die einfallsreiche und auf das Können der Akteure zugeschnittene
Choreografie von Miguel A. Zermeno bedient sich beim feinsinnigen
Ballett wie beim realistischen Tanztheater. Die Nationalhymnen aus West
und Ost bilden eine symbolträchtige Collage. Erneut beklemmend: ein
blutig endender Fluchtversuch an der innerdeutschen Grenze.
Im Westen singen die Blumenkinder Lennons "Give peace a chance",
jenseits der Grenze herrscht die DDR-Melancholie in der
Sieben-Brücken-Ballade von Karat. Am Ende fallen symbolisch die Grenzen,
Deutschland ist endgültig angekommen in Europa.
Alle Darsteller umkreisen die Europafahne, das musikalische
Schlusswort spricht Beethovens "Götterfunken"-Melodie. Der Jubel im voll
besetzten Opernhaus war stürmisch.
Eine weitere Aufführung gibt es am 3. Oktober 2011 im Rahmen der Feierlichkeiten zum "Tag der Einheit".
Schüler bringen opulente Bilderrevue auf die Bühne
BONN. Die vom Nazi-Regime verfolgten Juden kauern am Boden, vor ihnen liegt die Hakenkreuzfahne, hinter ihnen erscheint das Bild vom Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau. Dazu erklingt aus den Lautsprechern eine ergreifende Klagemelodie, gesungen von einem jüdischen Kinderchor. Eine beklemmende, eindringliche und zugleich eine von vielen starken Szenen des Tanztheaterstücks „Denk’ ich an Deutschland …“, das in der Oper Bonn seine Premiere erlebte. Ein anderes Bild, das haften blieb, wirft ein Schlaglicht auf das Deutschland im Jahre 1919: da segeln politische Flugblätter durch den Bühnenhimmel, Fäuste werden gereckt, Rangeleien deuten Straßenkämpfe an, rote, weiße und schwarz-rot-goldene Fahnen symbolisieren das Parteiengezänk. Das alles zur aufwühlenden Musik des Marschs aus den drei Orchesterstücken von Alban Berg.
1789 beginnt die vertanzte Geschichtsrevue, ein Projekt von „salta e.V.“, dem „Verein für Schulentwicklung und Kultur“. Der lange Weg der Deutschen zu Frieden und Einheit wird zu einem opulenten und bilderstarken Panorama gebündelt, an dem 85 Schüler und Schülerinnen (die Klassen 8b der Emilie-Heyermann-Realschule und der Gesamtschule Bonn-Bad Godesberg sowie die Klasse 6a der Realschule Bonn-Hardtberg) sowie 70 Jugendliche und Erwachsene aus diversen Tanzensembles beteiligt sind. Doch bevor das Geschichtsbuch aufgeblättert wird, hört man Stimmen aus dem Off: Hoffnungsvolles, viel Positives, aber auch Nachdenkliches über das aktuelle Merkel-Deutschland. Dann geht es los, im Zeitraffer, mit Musik von Schumann bis Stockhausen, von den Comedian Harmonists bis zu den Prinzen (Konzeption: Michael Raetsch). Man sieht die Bauern schuften, während sich Adlige ihrem Zeitvertreib hingeben. Eine Tänzerin bringt die Flamme der Freiheit, zu Beethovens „Eroica“ nehmen die personifizierten „Liberté, Égalité und Fraternité“ auf den vormaligen Thronen Platz. Doch schon bald ist alles wieder beim alten. 1815 „tanzt“ der Kongress, die Bauern schuften wie eh und je.
Weitere Stationen: die Industrialisierung, die Reichsgründung, die Mobilmachung 1914 – die einfallsreiche und auf das jeweilige Können der Akteure zugeschnittene Choreographie von Miguel A. Zermeno bedient sich beim feinsinnigen Ballett wie beim realistischen Tanztheater. Verruchtes Nachtclubleben der goldenen Zwanziger tobt sich im Charleston aus, auf der Straße konkurriert die „Internationale“ mit „SA marschiert“. Später, nach der Katastrophe des 2. Weltkriegs und Wiederaufbau, sind es die Nationalhymnen aus West und Ost, die eine symbolträchtige Collage bilden. Beklemmend erneut: ein blutig endender Fluchtversuch an der innerdeutschen Grenze. Im Westen singen die Blumenkinder Lennons Friedenshymne „Give peace a chance“, während jenseits der Grenze sich die DDR-Melancholie in der „Sieben-Brücken“-Ballade von Karat ausspricht. Imponierend auch: Alle 150 Beteiligten tanzen zu Kodimeys Rap-Hit „Mein Deutschland“ und zeigen ein Feuerwerk der Einfälle. Am Ende fallen symbolisch die Grenzen, Deutschland ist endgültig angekommen in Europa. Alle Darsteller umkreisen die Europafahne, das musikalische Schlusswort spricht Beethovens „Götterfunken“-Melodie. Der Jubel im vollbesetzten Opernhaus war stürmisch. Eine weitere Aufführung findet am 3. Oktober 2011 im Rahmen der Feierlichkeiten zum „Tag der Einheit“ statt. mnz (Aufführung am 29. Mai 2011)